Mein Start in die Selbständigkeit vor etwas über einem Jahr war durchaus holprig. Ich wusste natürlich, dass ich viel zu lernen hatte und rechnete auch mit dem einen oder anderen Setback. Nachdem ich im Frühjahr 2023 meinen Master in der Tasche hatte, ging ich ernsthaft auf die Suche als selbständiger Agile Coach oder SCRUM Master, und wurde auch bald bei der Statistik Austria fündig. Leider musste ich rasch herausfinden, dass die Umstände dort für mich nicht erfolgversprechend waren. Mein Ansatz des kontrollierten Kontrollverlustes – gibt dem Team vor, was es erreichen soll, und gibt ihm alle Freiheiten, *wie* es die Ziele erreicht – kam gar nicht gut an. Micromanagement und Scrum vertragen sich nicht. So folgte ich dem Grunsatz „Fail fast“ und verließ die Bundesanstalt bereits nach zwei Monaten wieder.
In den folgenden Wochen lernte ich auch, dass der Frühherbst eine ziemlich schlechte Zeit für die Projektsuche ist. Die Budgets für das laufende Jahr sind da so gut wie gänzlich verplant, für das nächste Jahr sind die Planungen dafür noch nicht in trockenen Tüchern. Das gab mir die Zeit, meinen Gewerbeschein als Unternehmensberater zu lösen. Der Plan war ja, nicht nur in der Softwareentwicklung arbeiten zu können, sondern mein Angebot allen, die an meiner Expertise interessiert sind, zur Verfügung zu stellen. Es waren dazu einige Diskussionen mit der Behörde nötig, doch im November hatte ich endlich die individuelle Befähigung in der Tasche. Ich habe nicht alles bekommen, was ich angemessen gefunden hätte, aber genug, dass ich Agile Arbeitsweisen abseits der Softwareentwicklung allen Organisationen anbieten kann, die sich dafür interessieren, und zusätzlich noch einige andere Dinge, unter anderem Datenschutz und Personalentwicklung. Insgesamt also ein sehr breites und abwechslungsreiches Feld, genau wie ich es gerne habe.
Schließlich fand ich bin zum Jahresende ein sehr spannendes Projekt bei den ÖBB, für das ich auch einen recht niedrigen Stundensatz in Kauf nahm. Es geht dabei um Modellrechnungen, mit denen die Bundesbahnen ihren Personal- und Materialeinsatz optimieren wollen. Zwei Monate lang lernte ich alles über Züge, Umläufe, Schichten und natürlich auch, was der Unterschied zwischen Bahnhöfen und Haltestellen ist. Um die Modelle kümmerte sich die Drahtwarenhandlung, Niki Poppers Firma, die auch die COVID-Modelle gerechnet hatte.
Man kann das jetzt als KI verkaufen, wenn man will, muss aber nicht. Überhaupt bemerke ich immer öfter, dass KI als Marketingargument verwendet wird, ohne dass klar ist, was davon genau eigentlich in einem Projekt steckt. „KI-Washing“ nennen sie das in der Branche. Man schmückt sich mit dem gehypten Begriff und macht abseits der schönen Präsentationen einfach sein Ding. Mir solls recht sein. Der Hype ist bereits wieder im Abflauen, wir bewegen uns auf das Tal der Enttäuschungen im Gartner Hype Cycle zu, und danach werden wir erfahren, wofür die Technologie tatsächlich sinnvoll und produktiv eingesetzt werden kann.
Die Kolleg*innen bei den ÖBB waren großartig, und ich hoffe, ich laufe einigen von ihnen irgendwann wieder über den Weg. Letztendlich wussten sie aber nicht so recht, welche Aufgaben sie mir geben sollten, und die Kombination aus schlechtem Stundensatz und schlechter Auslastung führte dazu, dass ich mich mit Jahresende wieder verabschiedete und meiner Wege ging.
Seit Anfang des Jahres bin ich jetzt bei group.one, einem großen europäischen Anbieter von Webhosting-Lösungen, zu dem in seinen Kernmärkten auch einige der bekanntesten Marken gehören. In Deutschland sind das etwa Dogado und checkdomain, in der Schweiz Metanet und in Österreich easyname und Herold. (Nein, ich bin trotzdem nicht der Herold.) Man suchte dort einen Business Analysten und Product Owner, nicht meine bevorzugte Tätigkeit, aber absolut Teil meines Angebots.
Die Branche funktioniert so, dass neben organischem Wachstum auch M&A eine große Rolle spielen, das heißt, du hast immer ein Konglomerat aus zugekauften Firmen, und die wollen in ein harmonisches Ganzes integriert werden: Produkte, Abläufe, Hostingsystem und so weiter. Es gibt hier also genügend zu tun. Das Arbeitsumfeld ist äußerst angenehm. Alle sind sehr wertschätzend, und da die Teams ganz verteilt sitzen, gibt es zwar ein Büro, aber sehr selten die Notwendigkeit, auch dort zu sein. Mir ist grundsätzlich ja beides recht, aber wenn ich es mir aussuchen kann, weiß ich die störungsfreie Umgebung zuhause schon sehr zu schätzen.
Neben der bezahlten Arbeit habe ich in den letzten Wochen auch mein Geschäft in Ordnung gebracht. Ich habe jetzt eine Geschäftsadresse und bin auch als squadrat consulting e.U. im Firmenbuch eingetragen. Jetzt fühlt es sich so an, als wäre ich in der Selbständigkeit angekommen.