159 Kilo Mensch.
Erfunden wurden die Vorfahren meiner Operation seinerzeit in Wien. Theodor Billroth, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der Wiener Universität lehrte und forschte, wird der Verdienst zugeschrieben, die Chirurgie, und hier vor allem die des Bauches, auf ein wissenschaftliches Niveau gehoben zu haben. Was das mit mir zu tun hat? Billroth entfernte einer Patientin 1881 erfolgreich große Teile des Magens und verband den Rest mit dem Dünndarm. Freilich ging es damals noch nicht um Adipositas, sondern um ein lebensbedrohliches Karzinom, das Billroth auf diese Weise entfernte. Noch heute sind die zwei verbreiteten Operationsverfahren zu diesem Zweck nach Billroth benannt.
Zeitsprung: Etwa 100 Jahre später entwickelten sich die ersten Verfahren, die krankhaft übergewichtigen Menschen auf chirurgischem Weg ein menschenwürdiges Leben ermöglichen sollte. In den 1970er Jahren wurden drei wichtige Methoden entwickelt, die heute noch angewandt werden: das Magenband, der Schlauchmagen, und der Magenbypass. Die drei Methoden versprechen unterschiedlich hohe Gewichtsabnahme. Jede kommt mit ihrer eigenen Menge an Risiken. Gemeinsam ist allen drei Methoden, dass sie erst zur Anwendung kommen, wenn die Patientin oder der Patient belegen kann, dass andere, konventionelle Methoden Gewicht zu reduzieren erfolglos blieben. Über die vielen Untersuchungen und Gutachten, die ich vor der OP sammeln musste, habe ich in früheren Beiträgen schon geschrieben.
Ein Magenbypass ist im Prinzip eine fast direkte Verbindung von der Speiseröhre zu einer unteren Stelle des Dünndarms. Es bleibt nur mehr ein kleiner Rest des Magens erhalten – vor allem nicht der Schließmuskel am Magenausgang -, die Speisen gehen rasch in den Darm über. Der Rest des Magens wird aber nicht entfernt. Die Leber leitet nach wie vor Gallenflüssigkeit in den stillgelegten Teil des Darmes. Verdauungssäfte und Speisebrei treffen erst recht spät aufeinander. Es bleibt nur ein kurzes Stück Dünndarm, in dem die Nährstoffe aus der Nahrung ins Blut aufgenommen werden können.
Diese Methode hat einige Nachteile, die daraus entstehen, dass die Nahrung nicht im Magen vorverdaut, also zerkleinert und chemisch gelöst wird. Der Schlauchmagen, bei dem der Magen einfach der Länge nach verkleinter wird, führt wiederum oft zu keinem ausreichenden Gewichtsverlust. Außerdem können Patient_innen den Magen später wieder dehnen und sogar bis zum Ausgangsgewicht wieder zunehmen.
Seit 2007, nach medizinischen Maßstäben also praktisch seit gestern, gibt es ein Verfahren, welches darauf beruht, dass im Prinzip beide Methoden kombiniert werden. Der Magen bleibt in verkleinerter Form erhalten. Meiner ist jetzt noch immer 30 Zentimeter lang, hat aber aktuell nur mehr einen Innendurchmesser von anderthalb Zentimetern, was ein Volumen von weniger als 70 Millilitern ergibt. Der Begriff „Schlauchmagen“ ist also mehr als gerechtfertigt. Wichtig ist, dass dabei der Magenausgang und also die ursprüngliche Funktion des Magens erhalten bleibt. Zusätzlich wurde ein paar Zentimeter unterhalb des Magenausgangs der Darm abgetrennt und mit einer künstlichen Öffnung etwa zwei Meter vor dem Ende des Dünndarms „kurzgeschlossen“. Der Rest des Dünndarms muss aber nicht die Verdauungssäfte aus der Leber transportieren.
Von der einzelnen Öffnung, mit der der Darm kurzgeschlossen wird, hat das Verfahren seinen Namen: SADI steht für „Single Anastomosis Duodenal-Ileal Switch“, also Verbindung des Zwölffingerdarmes mit dem unteren Dünndarm mit nur einer Öffnung. Das „-S“ steht für „mit Sleeve“, also Ärmel. So heißt ein Schlauchmagen auf englisch.
Alle Methoden werden laparoskopisch ausgeführt, das heißt, mit dünnen Instrumenten nur durch einige kleine Schnitte in der Bauchdecke. Ich habe es ja sonst nicht so mit Selfies, aber hier seht ihr zwei Bilder von meinem Bauch einen und zwei Tage nach der OP.
Diese winzigen Schnitte haben viel damit zu tun, dass man das Krankenhaus so schnell wieder verlassen kann, oft schon vier Tage nach der OP. In meinem Fall wäre das der kommende Freitag.
Ich habe übrigens lange gerätselt, wie man „SADI-S“ ausspricht. Einfach ein Wort, „Sadis“? Oder doch „Sadi Ess“? Oder englisch, „saydis“? Hier im Haus wird überwiegend die zweite Variante verwendet, aber ganz so sicher scheint sich auch hier niemand zu sein.
Im nächsten Beitrag schreibe ich etwas zu Abnehmzielen, die man sich nicht setzen soll, Meilensteinen, die ich mir trotzdem setze, und Erfahrungen mit einem SADI-S. Spoiler: Die erreichbare Gewichtsreduktion ist größer als bei allen anderen Verfahren.