es ist Zeit, Abschied zu nehmen. Abschied vom Gewohnten, von der Welt, wie wir sie kennen. 2050 wird die Welt eine ganz andere sein als 2020, und könnten wir ins Jahr 2070 reisen, würden wir sie wohl kaum wiedererkennen.
Jetzt ist sie also weg, die Wüste. Stattdessen zieht sich durch die Donaustadt eine Spur der Verwüstung. Gleichzeitig mit der Räumung der Baustelle wurden heute im Auftrag der Stadt Wien rund 400 Bäume gefällt. War es das?
Ich habe mich in den letzten Wochen und Monaten bei den Protesten gegen die Stadtautobahn in der Donaustadt für meine Verhältnisse ungewöhnlich ins Zeug gelegt. Physische Teilnahme an Aktionen fällt mir ja alles Andere als leicht. Mein Körper ist für sowas eigentlich ungeeignet.
Trotzdem, hier mache ich mit. Ich war schon Ende August bei der ersten Demo zur Eröffnung des Protestcamps dabei. So lang das Wetter warm war, bin ich regelmäßig hinaus geradelt, habe Material gebracht, mit den Leuten geredet, mitgearbeitet. Nach dem Brandanschlag, der mir sehr nahe gegangen ist, habe ich so oft wie möglich Nachtwache gehalten, damit die Aktivisti, die den ganzen Tag da sind, wenigstens zum Schlafen kommen. Ich habe an Plenen teilgenommen, Leute vernetzt, Informationen weitergegeben und geholfen, wo ich konnte.
Warum?
Die Frage ist legitim. Bei meiner Krankengeschichte ist meine Lebenserwartung nicht rasend hoch, ich muss nicht damit rechnen, die schlimmsten Auswirkungen der Erderhitzung noch zu erleben. Für mich selbst mache ich das also nicht. Ich habe auch keine Kinder, für die ich mich engagieren könnte. Warum ist es mir also trotzdem nicht egal? Es wäre doch viel bequemer.
Ja, warum eigentlich?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Leute, die dieses Projekt verfolgen, auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Derzeit geht die Bruchlinie nicht zwischen Warnenden und Leugnenden der Klimakrise. Der wesentliche Konflikt ist vielmehr der zwischen denen, die die Krise ernst nehmen und das Ruder wirklich noch herum reißen wollen, und denen, die glauben, wir werden uns da schon irgendwie heraus winden können, wird schon alles nicht so schlimm werden. Sehr österreichisch eigentlich, nur dass dieses Mindset auf der ganzen Welt sehr viele Anhänger*innen hat.
Die Wiener Stadtregierung ist ein ausgezeichnetes Beispiel für diese Denkweise. In der offiziellen Kommunikation sagen sie oft das Richtige, sie wissen genau, was eigentlich getan werden müsste. Und dann gehen sie her und tun genau das Gegenteil. Wie diesen Straßenbau.
Leider geht es um sehr viel. Vielleicht nicht um den Fortbestand der Spezies Homo Sapiens (“Wir werden schon nicht aussterben”, wie es Wolfgang Sobotka einmal treffend formuliert hat), aber der Zusammenbruch der weltumspannenden menschlichen Zivilisation, das Ende der Geschichte, wie wir sie kennen, ein Rückfall in eine Zeit ohne Schrift, ohne Technik, etwa auf den Zivilisationsstand des frühen Mittelalters, ist durchaus realistisch. Wenn wir nichts oder zu wenig dagegen tun, sogar wahrscheinlich. Dafür will ich nicht mitverantwortlich sein.
Deswegen wird auch der Kampf sicher weiter gehen. Auch wenn es heute nicht so aussieht, wir sind mit einem Rückzugsgefecht konfrontiert, und die, die es führen, wissen das auch. In den letzten Monaten sind Proteststrukturen und eine -kultur entstanden. Menschen haben sich gefunden und vernetzt. Das geht nicht mehr weg, weil auch das Thema nicht mehr weg geht. Lobau Bleibt sind wir alle, und wir sind überall. Stellt euch besser darauf ein.
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